„Before you even know …" – Big Data und die Erkennbarkeit des Selbst
DOI:
https://doi.org/10.29173/irie151Abstract
Der Big Data-Technologie wird das Potenzial zugeschrieben, durch Mustererkennung in aggregierten Daten Verhaltensweisen von Personen zu prognostizieren, noch bevor diese intendiert und reflektiert würden. Zumeist widmet sich die Big Data-Debatte daher den Befürchtungen möglicher Einbußen von Privatheit und Freiheit. In unserem Beitrag wählen wir jedoch einen anderen Zugriff und fragen, inwiefern die Big Data-Visionen das Selbstsein betreffen, also das Konzept davon, wer ich selbst eigentlich bin. Wenn Selbstsein, Martin Heidegger zufolge, eigentlich bedeutet, in kritischer Distanz zu vorgegebenen Möglichkeiten zu leben, stellt sich die Frage, welches Kriterium hier eine klare Unterscheidbarkeit gewährleistet: Wie kann ich wissen, echt ich selbst zu sein, ohne nur wiederum andere Üblichkeiten nachzuahmen? Wir fragen daher, ob die Big-Data-Technologie subjektive Verzerrungen und Täuschungen über das Selbst ausschalten könnte. Hierfür wird der Begriff „Selbstsein“ bei Heidegger erarbeitet. Dabei lässt sich allerdings zeigen, dass dieser letztlich ohne Trennschärfe bleibt, da die nur negative Charakterisierung von eigentlichem Selbstsein, Heidegger zufolge, echt oder unecht ausgestaltet sein kann – der aus der Möglichkeit echter oder unechter Selbsterzählung resultierende Relativismus wurde bisher nicht hinreichend beachtet. Big Data kann zwar uneigentliche Erzählmuster vermeiden, nicht aber uneigentliches oder eigentliches Verhalten differenzieren; ob ich z.B. manches – unecht eigentlich – aus Trotz oder Kalkül gegen mein eigenes Selbstverständnis tat, bleibt verborgen. Fazit: Es muss entweder ein Kriterium für echtes Eigentlichsein entwickelt oder der Anspruch, darüber Auskunft zu geben, verworfen werden – bei Heidegger und Big Data. Verzichtet man jedoch auf die Idee einer (echten) Eigentlichkeit verzichtet man auf den Begriff des Selbst.Downloads
Published
2016-05-01
How to Cite
Richter, Philipp, and Andreas Kaminski. 2016. “„Before You Even Know …" – Big Data Und Die Erkennbarkeit Des Selbst”. The International Review of Information Ethics 24 (May). Edmonton, Canada. https://doi.org/10.29173/irie151.
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